Bekannt ist es in der Medizin seit über 100 Jahren, doch nicht immer wird daran gedacht:
Manche Menschen vertragen keine Salicylate. Und müssen dies sowohl bei der Ernährung, als auch bei bestimmten Medikamenten berücksichtigen.
Sonst können massive Beschwerden auftreten.
Lesen Sie hier alles über eine mögliche Salicylat-Unverträglichkeit: Was sie für Symptome verursacht, wie man sie erkennt, und wie man Salicylate meidet. ~
Möglicherweise fragen Sie sich jetzt, was Salicylate eigentlich sind, denn dieser Begriff ist in der Öffentlichkeit nur wenig geläufig.
Wir haben dazu Professor Dr. Hanns Baenkler von der Universität Erlangen-Nürnberg befragt, der sich während seines Berufslebens intensiv mit der Salicylatproblematik beschäftigt und dazu geforscht hat.
Nachfolgend seine Erläuterungen:
„Bei den Salicylaten handelt sich um eine Substanz, die von Natur aus in Pflanzen vorkommt, aber auch von der Pharmaindustrie als Arzneimittelwirkstoff synthetisch hergestellt wird“, erklärt Professor Baenkler.
"Bekanntestes Beispiel ist die als "Aspirin“ bekannte Acetylsalicylsäure (ASS).
Auch Schmerzmittel aus der Gruppe der so genannten nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR), wie zum Beispiel die Wirkstoffe Diclofenac oder Ibuprofen greifen auf die gleiche Weise wie „Aspirin“ in den Stoffwechsel ein.
Dies kann, je nach individueller Stoffwechselsituation, leichte bis massivste Unverträglichkeitsreaktionen auslösen.
Die Medizin bezeichnet dies als Analgetika-Intoleranz
(= Schmerzmittelunverträglichkeit) oder Salicylat-Unverträglichkeit."
„Ursache dieser Unverträglichkeit ist der Einfluss von Salicylaten auf den Stoffwechsel einer bestimmten Fettsäure, der sogenannten Arachidonsäure“, weiß der Experte.
Arachidonsäure wird einerseits mit der Nahrung aufgenommen, sie befindet sich aber auch in unseren Körperzellen zum Beispiel als Bestandteil der Phospholipide. Dort hat sie wichtige Funktionen zu erfüllen.
Durch unterschiedliche Reize wird Arachidonsäure aus ihren Zellverbindungen freigesetzt und zu verschiedenen Gewebshormonen „weiterverarbeitet“,
Diese Substanzgruppen werden auch als Eicanosoide bezeichnet und haben wichtige Funktionen im Körper.
Sie schaden aber, wenn sie im Übermaß vorhanden sind, oder wenn ein Ungleichgewicht zwischen ihnen besteht.
Beides kann die Salicylsäure bewirken.
Neuesten Erkenntnissen zufolge reizt sie bei manchen Menschen vermutlich die Zellen so sehr, dass sie zu viel Arachidonsäure und damit auch zu viele Gewebshormone freisetzen.
Außerdem verschiebt Salicylsäure das Gleichgewicht in Richtung der Leukotriene, das heißt, diese Substanzen gelangen in verhältnismäßig höherer Konzentration ins Blut und Gewebe. Und dort können sie eine Reihe von entzündlichen Beschwerden auslösen.
„Wie ausgeprägt die Beschwerden sind, und durch welche Menge an Salicylaten sie ausgelöst werden, ist individuell unterschiedlich“, erläutert Professor Dr. Baenkler.
„Manche Menschen reagieren aber – vermutlich genetisch bedingt - extrem empfindlich auf Salicylate. Bei ihnen genügt schon die vergleichsweise niedrige Konzentration, wie sie in Pflanzen vorkommt, um Krankheitssymptome auszulösen beziehungsweise zu verstärken."
Typische Symptome dieser Unverträglichkeit sind Haut- und Schleimhautprobleme.
Je nach persönlicher Schwachstelle können sie überwiegend den Magen, die Lunge, die Nase oder die Nasennebenhöhlen betreffen und dort jeweils unterschiedliche Symptome auslösen.
Beim einen kommt es zu Polypen, die sich typischerweise auch nach einer operativen Entfernung wieder bilden. Beim anderen ist die Nasenschleimhaut chronisch entzündet, beim dritten überwiegen Nebenhöhlenprobleme.
Mancher reagiert auch mit chronischer Bronchitis oder Asthma auf Salicylate.
Auch Magenreizungen bis hin zum Magengeschwür können auftreten.
Deshalb: Bei chronischen Schleimhautproblemen – ob im Atemtrakt oder im Magen/Darmbereich – sollten Arzt und Patient an eine Salicylatunverträglichkeit als mögliche Ursache denken.
„Vor allem, wenn für derartige Beschwerden keine klare Ursache, wie etwa eine Infektion oder Allergie auszumachen ist, lohnt es sich, nach dieser speziellen Unverträglichkeit zu fahnden“, rät Professor Baenkler.
Denn sie ist gar nicht so selten, wie vielfach angenommen.
Untersuchungen von Lungenfachärzten haben ergeben, dass die Salicylatunverträglichkeit bei etwa jedem fünften Asthmatiker eine Rolle spielt.
Und Hals-Nasen-Ohren-Ärzte wissen, dass dies auch bei jedem dritten Patienten mit chronischen Nasen- und Nebenhöhlenproblemen (vor allem bei Polypen) der Fall ist.
Und manchmal berichten Patienten noch von weiteren Symptomen in Zusammenhang mit den Salicylaten, weiß Professor Baenkler.
Aber: "Um dies wirklich zuordnen zu können, wären wissenschaftliche Studien nötig."
Bekannt ist in der Medizin aber, dass die Salicylatunverträglichkeit manchmal zu massiven Akutreaktionen führen kann, zum Beispiel zu plötzlichen Schleimhautschwellungen in der Nase oder im Hals, zu Ohrensausen, Asthmaanfällen oder auch zu schockähnlichen Zuständen.
Nur müssen den Ärzten solche Zusammenhänge auch bewusst sein, besonders in der Notfallmedizin. Denn:
"Bekommt ein Patient mit Salicylatunverträglichkeit z.B. bei unklaren Herzbeschwerden vom Arzt wie üblich ein „Aspirin“-Medikament verabreicht, kann das seine Situation weiter verschlimmern“, warnt Professor Baenkler.
Deshalb sollten Ärzte immer nach einer möglichen Unverträglichkeit fragen, bevor sie diesen Wirkstoff anwenden, oder Patienten den Arzt von sich aus darauf hinweisen bzw. ihren Notfallausweis vorlegen“, so sein dringender Appell.
Doch dazu ist es erst einmal notwendig, dass die Salicylatunverträglichkeit erkannt und diagnostiziert wird.
Zur Diagnose können einerseits sogenannte Provokationstests durchgeführt werden.
Das heißt, der Patient bekommt unter medizinischer Aufsicht eine bestimmte Menge an Salicylat verabreicht, um festzustellen, ob und wie stark er darauf reagiert.
Doch diese Tests sind nicht ungefährlich und ziemlich belastend für den Patienten.
"Zunächst ist deshalb die aufmerksame Selbstbeobachtung des Patienten gefragt", so Professor Baenklers Rat.
"Wenn sich unter einer salicylatarmen Ernährung die Beschwerden bessern und bei Wiederaufnahme von Salicylaten erneut verschlechtern, gilt das als deutlicher Hinweis für eine individuelle Unverträglichkeit."
Dann sollten die Betroffenen ihre persönliche Verträglichkeitsgrenze herausfinden."
Das heißt, der Betroffene Salicylate so gut wie möglich meiden oder zumindest einschränken. Vorsicht ist dann vor allem bei den oben Schmerzmedikamenten geboten und möglicherweise auch bei der Ernährung und Körperpflege.
Denn oft sind sind auch pflanzliche Nahrungsmittel problematisch. Viele Pflanzen produzieren diese Substanz in unterschiedlicher Konzentration.
Wie viel Salicylat dann tatsächlich in unser Essen gelangt, hängt von vielen Faktoren ab: Die Anbauart spielt eine Rolle, ebenso wie die küchentechnische Zubereitung. So enthält Zerkleinertes oft mehr Salicylat als das Ausgangsprodukt, Ketchup also zum Beispiel mehr als die ganze Tomate.
Auch in industriell bearbeiteter Nahrung, in Fertig- und Halbfertiggerichten kommt die Substanz teilweise reichlich vor.
Hinter dem Begriff „natürliches Aroma“ in der Zutatenliste verbirgt sich in der Regel etwas Salicylat-haltiges.
Erfahrungsgemäß sind auch Trockenkräuter und Gewürze sehr salicylat-reich.
Dasselbe gilt für Pflanzenextrakte, etwa in Naturmedikamenten oder Kosmetika. Selbst Salben, die Salicylate enthalten, können zum Problem werden, denn die Substanz kann über die Haut aufgenommen werden und so in den Körper gelangen.
Achten Sie deshalb bei Shampoos, Hautcremes und Kosmetik auf die Inhaltsstoffe und verzichten Sie so gut wie möglich auf salicylathaltige Produkte.
Damit es Ihnen besser gelingt, Ihre Salicylate künftig auf ein verträgliches Maß zu reduzieren, haben wir eine Salicylate-Liste für Sie zusammengestellt.
Diese ist jedoch nur ein Anhaltspunkt, Ihr Körper sagt Ihnen am besten, was Ihnen gut tut und was nicht.
Hier finden Sie mein Buch Salicylate nicht für jeden verträglich (Amazon Produktlink*)
Und hier gibt es die wissenschaftlichen Erläuterungen von Professor Baenkler und seinen Mitautoren: Salicylat-Intoleranz, Pseudo-Allergien, Mastozytose (Amazon Produktlink*)