Verfasst von Johanna Kallert
Gesundheitsforscherin & Autorin des Buches "Wenn Mastzellen zu viel Histamin ausschütten"
(Text aktualisiert am 26.06.2022)
Willkommen liebe Leserinnen und Leser,
hier erhalten Sie Informationen zum Mastzellenaktivierungssyndrom, auch MCAS genannt.
Bis vor 15 Jahren war dieses Krankheitsbild noch gänzlich unbekannt, inzwischen wird es intensiv erforscht und hat auch einen Namen bekommen.
Das Mastzellenaktivierungssyndrom oder MCAS löst unterschiedlichste Symptome und Krankheitsbilder im ganzen Körper aus, beziehungsweise verstärkt diese.
MCAS kommt sehr häufig vor, Schätzungen zufolge ist jeder Sechste davon betroffen.
Für mein Buch Wenn Mastzellen zu viel Histamin ausschütten* (Amazon Produktlink*) habe ich sehr intensiv zu diesem Thema recherchiert, da ich auch selbst davon betroffen bin.
Lesen Sie im nachfolgenden Beitrag,
Das Mastzellenaktivierungssyndrom ist neben der seltenen Mastozytose (Mastzellenvermehrung) eine weitere chronische Erkrankung des Immunsystems, die dazu führt, dass bestimmte Immunzellen, die Mastzellen, chronisch aktiviert und reizbar sind.
Vor allem an der Haut und an den Schleimhäuten sowie an den Nervenzellen finden sich viele Mastzellen. Im gesunden Zustand dienen sie als Wachposten des Immunsystems und müssen das Eindringen von Feinden melden und Immunreaktionen in Gang setzen.
Durch verschiedene Auslöser können sie jedoch dazu aktiviert werden, auch ohne erkennbaren feindlichen Anlass ihre Botenstoffe aus dem Zellinneren freizusetzen und ins umliegende Gewebe abzugeben. Diese Botenstoffe werden in der Medizin als Mediatoren bezeichnet.
Der bekannteste der Mastzellenbotenstoffe ist das Histamin, daneben gibt es aber noch bis zu 200 weitere Substanzen, die akut und plötzlich den Körper "überschwemmen" und vielfältige biologische Reaktionen auslösen können.
Die übermäßig freigesetzten Botenstoffe und möglicherweise eine verminderte Abbaukapazität des Körpers für diese Substanzen führt dann zu vielfältigsten Beschwerden und Krankheitssyndromen.
Wenn die Mastzellen chronisch aktiviert sind, kommt es immer wieder zu überschießenden Reaktionen durch die freigesetzten Botenstoffen.
Als Folge kommt es zu Symptomen wie
Doch es kommt nicht nur zu gelegentlichen Akutsymptomen.
Die Mastzellenforscher haben zudem erkannt, dass viele chronische Krankheitsbilder ihre gemeinsame Ursache in der chronischen Mastzellaktivierung haben, so zum Beispiel
Leider erkennen viele (Fach-)ärzte noch nicht den übergeordneten Zusammenhang all dieser Störungen.
Das Abklären eines Mastzellenaktivierungssyndroms wäre vor allem aber auch bei psychischen Störungen wie Depressionen oder sogar der Schizophrenie notwendig, denn dann wären ganz andere Therapieansätze möglich.
Mastzellenforscher haben herausgefunden, dass mastzellenbedingte psychische Symptome verschwinden, wenn die Mastzellen medikamentös stabilisiert werden.
Viele der bislang gebräuchlichen Psychopharmaka und Antidepressiva können dagegen die Mastzellen- und Histaminproblematik verschlimmern.
Doch wie wird die Diagnose dieses noch neuen Krankheitsbildes gestellt?
Welche Untersuchungen sind notwendig?
Was sollten Betroffene (und auch ihre Ärzte) darüber wissen?
Ein Mastzellenaktivierungssyndrom zu diagnostizieren, ist nicht immer einfach. In der Regel sind dafür mehrere Schritte nötig.
Voraussetzung für eine Diagnosestellung ist zuerst einmal, dass überhaupt an die Möglichkeit eines MCAS als gemeinsame Ursache all dieser Störungen gedacht wird.
Da die Symptome verschiedene Organe betreffen, suchen Patienten auch unterschiedliche Fachärzte auf, von denen aber jeder nur sein Fachgebiet sieht und entsprechende Untersuchungen durchführt.
Und nur wenige Ärzte sind bislang mit dem relativ neuen Krankheitsbild der MCAS vertraut. Zudem ist die Diagnose aufgrund der vielfältigen Symptomatik nicht immer leicht zu stellen.
Die Mastzellenforscher des Universitätsklinikums Bonn haben einen Fragebogen ausgearbeitet, der die mastzellentypischen Symptome- und Symptomkombinationen abfragt.
Ein Punkteschlüssel erlaubt eine Gewichtung der angekreuzten Antworten.
Ab einer bestimmten Punktzahl kann ein Mastzellaktivierungssyndrom als gesichert betrachtet werden.
Der Fragebogen der Uni Bonn ist unter dieser Internetadresse zu finden:
https://www.humangenetics.uni-bonn.de/de/forschung/forschungsprojekte/mastzellerkrankungen/checklistepatientenversion
Zur weiteren Diagnosestellung müssen andere Krankheiten ausgeschlossen werden, die ebenfalls als Ursache der einzelnen Symptome in Betracht kommen könnten.
So sind zum Beispiel bei chronischen Magen-Darm-Problemen in der Regel endoskopische Untersuchungen (Magen- oder Darmspiegelung) nötig, um schwerwiegende organische Erkrankungen auszuschließen.
Gleichzeitig können im Rahmen einer solchen Spiegelung auch Veränderungen an den Mastzellen (vermehrte Mastzellen oder Mastzellennester) erfasst werden.
Weiterhin gibt es bestimmte Blut- und Urinwerte, die bei einer MCAS erhöht sein können.
So werden im Blut meist die Werte ermittelt für
Im Sammelurin werden zudem bestimmt
Diese Werte sind häufig bei MCAS erhöht, doch dies muss nicht sein. Auch Normalwerte schließen eine chronische Mastzellaktivierung nicht aus.
Die Aktivität des histaminabbauenden Enzyms Diaminoxidase (DAO) gibt Aufschluss darüber, wie schnell der Körper das Histamin abbauen kann.
Ein weiteres, sehr wichtiges Diagnosekriterium ist eine Besserung der Beschwerden durch Medikamente wie Antihistaminika, Mastzellenstabilisatoren oder Cortison.
Wenn solche Medikamente eine Besserung der körperlichen und/oder psychischen Symptome bewirken, ist dies ein weiterer Beweis, dass wohl ein MCAS vorliegt.
Umgekehrt ist ein MCAS fraglich, wenn der Patient keine Besserung durch diese Medikamente erfährt.
Um ein MCAS zu therapieren und Beschwerden zu lindern, verordnen Ärzte oft Medikamente, die dem Histamin den Zugang zu den Zellen blockieren, so dass es seine überschießenden Wirkungen nicht entfalten kann. Dies sind die sogenannten Antihistaminika.
Je nachdem welche Zielzellen blockiert werden, unterscheidet die Medizin zwischen H1- und H2-Histaminrezeptorenantagonisten.
Die H1-Blocker verhindern typische allergische oder allergie-ähnliche Histamin-Reaktionen wie Juckreiz, Schleimhautschwellungen, Atemwegssymptome oder auch psychische Befindlichkeitsstörungen.
Diese Medikamente sind teilweise verschreibungspflichtig, teilweise aber auch rezeptfrei erhältlich.
Viele Allergiker, aber auch MCAS-Betroffene, erfahren damit eine Linderung ihrer Beschwerden, obwohl natürlich auch Nebenwirkungen auftreten können.
Die H2-Blocker wirken vor allem im Magen-Darm-Bereich und schützen vor histaminbedingter Magenübersäuerung.
Denn Histamin, das an die H2-Rezeptoren bindet, führt dazu, dass (zu) viel Magensäure produziert wird. Dadurch kann es zu Magenschleimhautentzündungen und Magengeschwüren kommen.
Die H2-Rezeptorantagonisten verhindern also, dass Histamin an die Zellen der Magenschleimhaut andocken kann, sie verringern aber nicht das Histamin.
Somit dienen diese Medikamente im Grund nur der Verhinderung von Folgeschäden, behandeln aber nicht die ursächliche Mastzellenaktivierung.
Weitere Medikamente zur Therapie des Mastzellenaktivierungssyndroms sind vor allem
In schweren Fällen werden auch sogenannte Immunsuppressiva, also Wirkstoffe, die das Immunsystem unterdrücken, eingesetzt.
Eine wichtige Maßnahme ist es auch, die Faktoren zu erkennen und zu meiden, die die Mastzellen aktivieren können. Diese Faktoren sind individuell unterschiedlich.
Und auch bei jedem einzelnen löst derselbe Faktor nicht immer dieselben Symptome in derselben Heftigkeit aus. Vielmehr können bestimmte Kombinationen von Auslösern sich summieren und dann Krankheitsschübe auslösen.
Folgende Faktoren können, je nach individueller Empfindlichkeit, die Mastzellen reizen:
Gerade dieser letzte Punkt zeigt, dass auch das Mikrobiom, besser bekannt unter der herkömmlichen Bezeichnung "Darmflora", eine wichtige Rolle bei der Mastzellaktivierung spielt.
In wissenschaftlichen Studien (1, 2) wurde erkannt, dass Mastzellen auf verschiedene Darmbakterien reagieren, insbesondere auf Enterobakterien, wie Escherichia Coli oder Klebsiella. Aber auch die gefährlichen Clostridien und ihre Toxine können die Mastzellen veranlassen, aktiv zu werden.
So gesehen sind Mastzellen eigentlich ein wichtiger Schutz für den Körper, und es stellt sich die Frage, ob sie tatsächlich grundlos überaktiv reagieren, oder ob sie heimliche Krankheitserreger, die bei einer gestörten Darmbarriere in den Körper gelangen, bekämpfen wollen.
Die Suche nach einer möglichen Dysbiose, einer gestörten Darmbarriere, einer Dünndarmfehlbesiedlung ist also immer sinnvoll, wenn ein MCAS vorliegt.
Mehr zur gestörten Darmbarriere (Leaky Gut) ist hier zu lesen.
Und hier finden Sie Informationen zur Dünndarmfehlbesiedlung.
Weiterhin können Mastzellen auch durch chronische Infektionen wie zum Beispiel einer Toxoplasmose, Herpes-Infektionen, Mycoplasmen u.a. dauerhaft aktiviert werden.
Hier können Sie sich ausführlich über ein mögliches MCAS durch chronische Infektionen informieren.
Und auch Stress spielt, wie bei fast allen Gesundheitsproblemen, eine nicht zu unterschätzende Rolle.
MCAS erfordert deshalb einen achtsamen Umgang mit dem Körper und eine aufmerksame Selbstbeobachtung.
Stellen Sie sich immer wieder die Frage: Was tut mir gut, was belastet mich?
Eliminieren Sie Belastendes so gut es geht aus Ihrem Leben und bringen Sie nach Möglichkeit immer mehr Wohltuendes in Ihren Alltag.
Hören Sie dabei weniger auf das, was andere sagen, meinen oder von Ihnen erwarten. Sondern richten Sie Ihren Alltag so ein, wie er Ihnen gut tut.
Dann werden auch Ihre Mastzellen weniger kämpfen müssen.
Ein Mastzellenaktivierungssyndrom ist im Grunde eine wichtige Aufforderung Ihres Körpers, gut und achtsam mit sich selbst umzugehen und ganzheitlich nach den Ursachen zu forschen.
Das ist nicht immer einfach, aber es lohnt sich.
Denn wenn die wahren Ursachen erkannt und beseitigt sind, wird es Ihnen von Tag zu Tag besser gehen.
Lesen Sie in diesem Buch, wie Sie bei
Mastzellenaktivierungssyndrom (MCAS)
und Histaminintoleranz Ihre Beschwerden lindern können.
Quellen:
(1) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6747121/ (abgerufen am 22.06.2022)
(2) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4469150/ (abgerufen am 22.06.2022)