zuletzt aktualisiert am 22.09.2022
Das Mastzellenaktivierungssyndrom, auch MCAS genannt, ist noch ein relativ neues Krankheitsbild.
Bis vor 15 Jahren war es noch gänzlich unbekannt. Inzwischen wird es aber intensiv erforscht.
MCAS kommt sehr häufig vor, Schätzungen zufolge ist jeder Sechste davon betroffen.
Es handelt sich hierbei um eine Störung des Immunsystems, denn die Mastzellen gehören zu den Immunzellen. Beim MCAS sind die Mastzellen zu überaktiv.
Dies löst unterschiedlichste Symptome und Krankheitsbilder im ganzen Körper aus, beziehungsweise verstärkt diese.
Die wichtigsten Informationen zum Mastzellenaktivierungssyndrom habe ich im nachfolgenden Beitrag für Sie zusammengestellt.
Lesen Sie hier,
Das Mastzellenaktivierungssyndrom (MCAS) ist eine chronische Erkrankung des Immunsystems. Mastzellen sind bestimmte Zellen des Immunsystem und bei MCAS sind diese Mastzellen chronisch aktiviert und gereizt.
Daneben gibt es noch das Krankheitsbild der Mastozytose. Hierbei kommt es zu einer Vermehrung der Mastzellen. Die Mastozytose ist aber wesentlich seltener als die Mastzellenaktivierung.
Die Mastzellen dienen als erste Wachposten des Immunsystems. Sie müssen das Eindringen von Feinden melden und Immunreaktionen in Gang setzen.
Sie befinden sich deshalb vor allem an der Haut und an den Schleimhäuten sowie auch an den Nervenzellen. In ihrem Inneren haben Sie zahlreiche Botenstoffe gespeichert oder können diese bei Bedarf blitzschnell bilden.
Sobald sie Krankheitserreger erkennen, werden sie aktiv. Dann schütten sie ihre Botenstoffe in das umliegende Gewebe aus. Dieser Vorgang heißt Degranulation.
Die freigesetzten Botenstoffe dienen dazu, die Feinde abzuwehren und sie nicht weiter in den Körper vordringen zu lassen. Nach getaner Arbeit werden die Botenstoffe rasch wieder abgebaut.
Mastzellen können jedoch auch krankhaft überaktiv werden.
Dann setzen sie immer wieder ihre Botenstoffe aus dem Zellinneren frei, ohne dass es wirkliche Feinde zu bekämpfen gibt.
Es entstehen unangenehme Symptome und sogar Angriffe gegen den eigenen Körper.
Möglicherweise ist auch der Abbau der freigesetzten Substanzen verlangsamt, so dass sie länger auf das Gewebe einwirken können.
Der bekannteste Mastzellenbotenstoff ist das Histamin.
Dass ein Übermaß an Histamin Beschwerden auslösen kann, kennen viele Menschen aus Erfahrung. All dies habe ich ausführlich im Beitrag über Histaminintoleranz beschrieben.
Neben dem Botenstoff Histamin gibt es aber noch bis zu 200 weitere Substanzen, die akut und plötzlich den Körper "überschwemmen" und vielfältige biologische Reaktionen auslösen können.
Die übermäßig freigesetzten Botenstoffe und / oder eine verminderte Abbaukapazität des Körpers für diese Substanzen führen dann zu verschiedensten Beschwerden und Krankheitssyndromen.
Als Folge der übermäßigen Mastzellenaktivierung kommt es zu Symptomen wie
Doch nicht nur die akuten MCAS-Symptome bereiten Probleme.
Sondern auch viele chronische Krankheiten haben ihre gemeinsame Ursache wohl in der chronischen Mastzellaktivierung. So zum Beispiel
Leider erkennen viele (Fach-)ärzte noch nicht den übergeordneten Zusammenhang all dieser Störungen.
Das Abklären eines Mastzellenaktivierungssyndroms wäre auch bei psychischen Störungen, wie einer Depression oder Angststörung notwendig. Denn dann wären ganz andere Therapien möglich.
Mastzellenforscher haben herausgefunden, dass mastzellenbedingte psychische Symptome verschwinden, wenn die Mastzellen medikamentös stabilisiert werden.
Doch wie wird die Diagnose dieses noch neuen Krankheitsbildes gestellt?
Welche Untersuchungen sind notwendig?
Was sollten Betroffene (und auch ihre Ärzte) darüber wissen?
Ein Mastzellenaktivierungssyndrom zu diagnostizieren, ist nicht immer einfach. In der Regel sind dafür mehrere Schritte nötig.
Voraussetzung für eine Diagnosestellung ist zuerst einmal, dass überhaupt an die Möglichkeit eines MCAS als gemeinsame Ursache all dieser Störungen gedacht wird.
Da die Symptome verschiedene Organe betreffen, suchen Patienten auch unterschiedliche Fachärzte auf, von denen aber jeder nur sein Fachgebiet sieht und entsprechende Untersuchungen durchführt.
Und nur wenige Ärzte sind bislang mit dem relativ neuen Krankheitsbild des MCAS vertraut. Zudem ist die Diagnose aufgrund der vielfältigen Symptomatik nicht immer leicht zu stellen.
Die Mastzellenforscher des Universitätsklinikums Bonn haben einen Fragebogen ausgearbeitet, der die mastzellentypischen Symptome- und Symptomkombinationen abfragt.
Ein Punkteschlüssel erlaubt eine Gewichtung der angekreuzten Antworten.
Ab einer bestimmten Punktzahl kann ein Mastzellaktivierungssyndrom als gesichert betrachtet werden.
Der Fragebogen der Uni Bonn ist unter folgender Internetadresse zu finden:
https://www.humangenetics.uni-bonn.de/de/forschung/forschungsprojekte/mastzellerkrankungen/checklistepatientenversion
Zur weiteren Diagnosestellung müssen andere Krankheiten ausgeschlossen werden, die ebenfalls als Ursache der einzelnen Symptome in Frage kommen könnten.
So sind zum Beispiel bei chronischen Magen-Darm-Problemen in der Regel endoskopische Untersuchungen (Magen- oder Darmspiegelung) nötig, um schwerwiegende organische Erkrankungen auszuschließen.
Gleichzeitig können im Rahmen einer solchen Spiegelung auch Veränderungen an den Mastzellen (vermehrte Mastzellen oder Mastzellennester) erfasst werden.
Weiterhin gibt es bestimmte Blut- und Urinwerte, die bei einer MCAS erhöht sein können.
So werden im Blut meist die Werte ermittelt für
Im Sammelurin werden zudem bestimmt
Diese Werte sind häufig bei MCAS erhöht, doch dies muss nicht sein. Auch Normalwerte schließen eine chronische Mastzellaktivierung nicht aus.
Die Aktivität des histaminabbauenden Enzyms Diaminoxidase (DAO) gibt Aufschluss darüber, wie schnell der Körper das Histamin abbauen kann.
Ein weiteres, sehr wichtiges Diagnosekriterium ist eine Besserung der Beschwerden durch Medikamente wie Antihistaminika, Mastzellenstabilisatoren oder Cortison.
Wenn solche Medikamente eine Besserung der körperlichen und/oder psychischen Symptome bewirken, ist dies ein weiterer Beweis, dass wohl ein MCAS vorliegt.
Umgekehrt ist ein MCAS fraglich, wenn der Patient keine Besserung durch diese Medikamente erfährt.
Um ein MCAS zu therapieren und Beschwerden zu lindern, verordnen Ärzte oft Medikamente, die dem Histamin den Zugang zu den Zellen blockieren, so dass es seine überschießenden Wirkungen nicht entfalten kann. Dies sind die sogenannten Antihistaminika.
Je nachdem welche Zielzellen blockiert werden, unterscheidet die Medizin zwischen H1- und H2-Histamin-Rezeptorenantagonisten.
Die H1-Blocker verhindern typische allergische oder allergie-ähnliche Histamin-Reaktionen wie Juckreiz, Schleimhautschwellungen, Atemwegssymptome oder auch psychische Befindlichkeitsstörungen.
Diese Medikamente sind teilweise verschreibungspflichtig, teilweise aber auch rezeptfrei erhältlich.
Viele Allergiker und MCAS-Betroffene erfahren damit eine Linderung ihrer Beschwerden, obwohl natürlich auch Nebenwirkungen auftreten können.
Die H2-Blocker wirken vor allem im Magen-Darm-Bereich und schützen vor histaminbedingter Magenübersäuerung.
Denn Histamin, das an die H2-Rezeptoren bindet, führt dazu, dass (zu) viel Magensäure produziert wird. Dadurch kann es zu Magenschleimhautentzündungen und Magengeschwüren kommen.
Die H2-Rezeptorantagonisten verhindern also, dass Histamin an die Zellen der Magenschleimhaut andocken kann, sie verringern aber nicht das Histamin.
Somit dienen diese Medikamente im Grund nur der Verhinderung von Folgeschäden, behandeln aber nicht die ursächliche Mastzellenaktivierung.
Weitere Medikamente zur Therapie des Mastzellenaktivierungssyndroms sind vor allem
In schweren Fällen werden auch sogenannte Immunsuppressiva, also Wirkstoffe, die das Immunsystem unterdrücken, eingesetzt.
Eine wichtige Maßnahme ist es auch, die Faktoren zu erkennen und zu meiden, die die Mastzellen aktivieren können. Diese Faktoren sind individuell unterschiedlich.
Und auch bei jedem einzelnen löst derselbe Faktor nicht immer dieselben Symptome in derselben Heftigkeit aus. Vielmehr können bestimmte Kombinationen von Auslösern sich summieren und dann Krankheitsschübe auslösen.
Folgende Faktoren können, je nach individueller Empfindlichkeit, die Mastzellen reizen:
Vor allem Salicylate und Histamin scheinen die Mastzellen zu reizen und eine wichtige Rolle bei der Mastzellenaktivierung zu spielen. Mehr dazu erfahren Sie in unserem Beitrag Mastzellen, Salicylate und Histamin.
Auch das Mikrobiom, besser bekannt unter der herkömmlichen Bezeichnung "Darmflora", spielt eine wichtige Rolle bei der Mastzellaktivierung.
In wissenschaftlichen Studien (1, 2) wurde erkannt, dass Mastzellen auf verschiedene Darmbakterien reagieren, insbesondere auf Enterobakterien, wie Escherichia Coli oder Klebsiella. Aber auch die gefährlichen Clostridien und ihre Toxine können die Mastzellen veranlassen, aktiv zu werden.
So gesehen sind Mastzellen eigentlich ein wichtiger Schutz für den Körper, und es stellt sich die Frage, ob sie tatsächlich grundlos überaktiv reagieren, oder ob sie heimliche Krankheitserreger, die bei einer gestörten Darmbarriere in den Körper gelangen, bekämpfen wollen.
Die Suche nach einer möglichen Dysbiose, einer gestörten Darmbarriere, einer Dünndarmfehlbesiedlung ist also immer sinnvoll, wenn ein MCAS vorliegt.
Mehr zur gestörten Darmbarriere, auch Leaky Gut genannt, ist hier zu lesen.
Und hier finden Sie Informationen zur Dünndarmfehlbesiedlung.
Weiterhin können Mastzellen auch durch chronische Infektionen wie zum Beispiel einer Toxoplasmose, Herpes-Infektionen, Mycoplasmen u.a. dauerhaft aktiviert werden.
Hier können Sie sich ausführlich über die Möglichkeit MCAS durch chronische Infektionen informieren.
Und auch Stress spielt, wie bei fast allen Gesundheitsproblemen, eine nicht zu unterschätzende Rolle.
MCAS erfordert deshalb einen achtsamen Umgang mit dem Körper und eine aufmerksame Selbstbeobachtung.
Stellen Sie sich immer wieder die Frage: Was tut mir gut, was belastet mich?
Eliminieren Sie Belastendes so gut es geht aus Ihrem Leben und bringen Sie nach Möglichkeit immer mehr Wohltuendes in Ihren Alltag.
Hören Sie dabei weniger auf das, was andere sagen, meinen oder von Ihnen erwarten. Sondern richten Sie Ihren Alltag so ein, wie er Ihnen gut tut.
Dann werden auch Ihre Mastzellen weniger kämpfen müssen.
Ein Mastzellenaktivierungssyndrom ist im Grunde eine wichtige Aufforderung Ihres Körpers, gut und achtsam mit sich selbst umzugehen.
Hören Sie auf diese Aufforderung und gehen Sie gut mit sich selbst um.
Ich wünsche Ihnen, dass Ihnen das immer besser gelingt.
Ihre Johanna Kallert
Für mein Buch
"Wenn Mastzellen zu viel Histamin ausschütten" (Amazon Produktlink*)
habe ich sehr intensiv zu diesem Thema recherchiert, da ich selbst davon betroffen bin.
Im Buch finden Sie ausführlich Informationen dazu, wie Sie ein Mastzellenaktivierungssyndrom (MCAS) erkennen und Ihre Beschwerden lindern können.
Quellen:
(1) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6747121/ (abgerufen am 22.06.2022)
(2) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4469150/ (abgerufen am 22.06.2022)